
Mit 28 lebt Zoe Kim in Seoul, der Stadt, die nie schläft. Früher hieß sie Zoe Kalcum, kam aus Langwedel, schrieb Lieder über Freundschaften und erste Liebe – und hätte nie gedacht, dass ihr Weg einmal in eine Millionenmetropole führen würde, weit weg vom niedersächsischen Sternenhimmel und deutschem Brot. Heute übersetzt sie koreanische Kinderlieder, schreibt weiter Songs und lacht darüber, dass sie immer noch Oldenburger Milch importiert.
Kindheit zwischen Bass und Butterbrot
„Meine Mutter hat schon als ich klein war viel mit mir gesungen“, erzählt Zoe. „Und mein Vater spielte Gitarre und Bass, er hat früher in Bands gespielt und eigene Songs komponiert.“ Musik war also kein Zufall, sondern Alltag. Mit zehn begann sie selbst zu schreiben – auf Englisch, weil die Sprache der Popmusik ihr natürlicher klang als Deutsch. „Die ersten Texte waren noch holprig“, sagt sie, „aber mit jeder neuen Platte, die ich hörte, wurde es besser.“

Mosterei Finkenburg
Zwischen Singer-Songwriter und Taylor-Swift-Träumen
Schon als Teenager hatte Zoe einen klaren musikalischen Kompass: Taylor Swift.
„Ich war eine der Ersten in meiner Klasse, die Taylor Swift gehört haben“, erzählt sie lachend.
„Damals hielten viele sie nur für ein Country-Mädchen aus Amerika – aber ich war fasziniert davon, wie sie Geschichten in Songs verwandelt.“
In dieser Zeit schrieb Zoe ihre ersten eigenen Lieder – leise, ehrlich, mitten aus dem Alltag.
Diese Mischung aus Gefühl, Beobachtung und Authentizität prägte ihre Musik von Anfang an –
und begleitet sie bis heute.
Das Kinderzimmer wird Bühne
Dann kam der Moment, der alles veränderte: ein Talentwettbewerb namens Local Heroes.
„Mein Gitarrenlehrer hat mich damals überredet, mitzumachen“, erinnert sich Zoe.
„Der Hauptpreis war eine Studioaufnahme – und ich wollte unbedingt einmal in einem richtigen Tonstudio stehen.“
Als sie gewann und ihre ersten eigenen Songs aufnehmen durfte, wurde aus einem Hobby plötzlich etwas Echtes.
„Bis dahin waren das kleine Lieder über Schwärmereien und Träume – aber als ich sie professionell arrangiert hörte, bekam ich eine ganz neue Perspektive. Das war überwältigend.“
Ihre Songs handelten von den großen kleinen Themen des Erwachsenwerdens – von Freundschaft, erster Liebe, Unsicherheit und Zukunftsplänen.
Musik wurde für Zoe zum Werkzeug, Gefühle zu ordnen und ihren Platz in der Welt zu finden.
Berlin – groß, laut, lehrreich
Nach einem Jahr in den USA zog Zoe nach Berlin.
Sie schrieb sich an der Freien Universität für Nordamerikastudien ein – ein Fach, das perfekt zu ihrer Liebe für Sprache, Musik und Kultur passte.
„Ich wollte raus, Neues sehen, alles erleben“, sagt sie.
Berlin war für sie wie eine geöffnete Weltkugel: international, chaotisch, grenzenlos.
„In Langwedel kam mir die Welt so klein vor. In Berlin hatte jeder Tag unendlich viele Möglichkeiten.“
Musik blieb ihr Kompass, auch wenn sie sich nicht mehr so oft auf die Bühne stellte.
„Ich habe hunderte Songs geschrieben – vielleicht nie veröffentlicht, aber sie waren da.“
Viele davon liegen heute noch auf alten Festplatten; manche kehren an bestimmten Tagen einfach wieder zurück.
Eine kleine Entscheidung, die alles veränderte

Beim Koreanischen Kulturzentrum in Berlin belegte sie einen Sprachkurs – anfangs nur aus Neugier. „Das war eine harmlose Entscheidung, die am Ende mein ganzes Leben verändert hat.“ Drei Jahre später sprach sie fließend Koreanisch und bekam einen Job in einem koreanischen Unternehmen in Berlin. Dort lernte sie einen Kollegen kennen, der gerade aus Suwon eingetroffen war. „Ich half ihm bei Behördengängen und Übersetzungen, wir wurden Freunde – und irgendwann war klar, dass da mehr war.“ Heute sind die beiden verheiratet und leben in Seoul.
Seoul – die Stadt, die niemals innehält

Zoe lacht, wenn sie von ihrem Alltag erzählt. „Das Leben hier ist schneller. Die Menschen arbeiten länger, pendeln weiter, haben weniger Freizeit. Aber es ist nicht schlechter – einfach anders.“ Anfangs lebten sie in Suwon, jetzt mitten in Seoul. „Es ist die größte Stadt, in der ich je war – und kaum mit einer deutschen zu vergleichen.“
Zwischen Taylor Swift und K-Pop
„Taylor Swifts Musik begleitet mich seit mehr als der Hälfte meines Lebens“, sagt Zoe.
„Ich liebe, wie sie sich immer wieder neu erfindet – das inspiriert mich bis heute.“
In Korea hat sie dann eine völlig neue Musikwelt entdeckt: K-Pop, Indie-Bands und eine lebendige Szene junger Musiker.
„Day6 haben mich total beeindruckt – ihre Texte sind ehrlich, emotional, einfach richtig gut.“
Zu ihren Lieblingsbands gehören außerdem Dragon Pony und Far East Asian Tigers.
Zoe mag den Kontrast zwischen westlichem Songwriting und koreanischer Präzision.
„Wenn Taylor Swift und Day6 je zusammen einen Song schreiben würden – das wäre mein absoluter Traum“, sagt sie mit einem Lächeln.
Zwischen Sternenhimmel und Neonlicht
„Meine Familie. Die Sterne. Die Ruhe.“ – das vermisst Zoe an Deutschland. Und Brot. „Hier ist Brot eher wie in den USA – weich und süß. Ich bestelle Oldenburger H-Milch online, weil die Milch hier einfach nicht so schmeckt!“
Geblieben ist ihre norddeutsche Direktheit. „Ich sage die Dinge, wie ich sie sehe – das irritiert manchmal, aber es ist ehrlich.“ Dafür liebt sie in Korea den Komfort: „Man kann abends um neun noch zum Arzt oder in die Apotheke gehen. Alles ist offen, alles funktioniert. Und ich habe hier meine zwei Katzen – ohne die könnte ich nicht mehr.“
„Die meisten Koreaner kennen die Bremer Stadtmusikanten“, erzählt sie und lacht. „Wenn ich sage, ich komme aus der Nähe von Bremen, wissen sie sofort, wo das ist.“

Zukunft ohne Plan – und das ist gut so
„Zum ersten Mal in meinem Leben jage ich keinem großen Traum hinterher“, sagt Zoe. Heute arbeitet sie als Übersetzerin für koreanische Kinderlieder. „Vielleicht bleibe ich in Korea, vielleicht kehre ich irgendwann zurück. Im Moment ist mein Leben hier spannend, besonders, ausgeglichen.“
„Steht zu dem, was ihr liebt, auch wenn es weit weg scheint. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal hier lande – aber vielleicht gefällt’s euch dort am Ende sogar richtig gut.“
Kleine Schnellrunde zum Schluss
- Lieblingsort: Strände an der Ostküste und auf Jeju – Stadt und Natur zugleich.
- Lieblingsessen: Budaejjigae, der „Militärstützpunkt-Eintopf“.
- Nie-vergessene Songs: Change (Taylor Swift), Start of Something Good (Daughtry), Happy (Day6).
- Drei Worte fürs Leben: Ausgeglichen. Besonders. Spannend.
Text: JA · Fotos: privat